Vom überflüssigen Pferd …

In grauer Vorzeit gab es einen Moment, der das Bündnis zwischen Mensch und Pferd neu definierte. Es lässt sich nur mutmaßen, welche Gelegenheit und welche Motivation Pferd und Mensch unter einem neuen Blickwinkel zusammen führten … vielleicht war es ein mutterloses Fohlen, ein verletztes Tier oder ein besonders zutrauliches Pferd, welches damit dem primären Zweck der Beute etwas Neues hinzufügte.

Und es wurde der Schwur abgelegt, dass das Pferd nicht nur als Beutetier, sondern im Gewahrsam und Schutz des Menschen diesem in Zukunft dienlich sei.

Wir jagten, eroberten , entdeckten , stritten, mordeten, triumphierten, starben, reisten und jubelten auf dem Rücken der Pferde. Die Pferde wiederum verendeten, kämpften, opferten und vermehrten sich und liefen schneller als der Wind, wenn wir es forderten und begleiteten uns sogar in die Minen.

Pferde waren Beute, Heiligtümer, Kostbarkeiten, Kriegsmaterial, Arbeiter, Fortbewegungsmittel und Haustiere.

Sie halfen uns Land urbar zu machen, Völker zu unterwerfen, uns zu verteidigen, Lasten unvorstellbarem Ausmaßes zu bewegen, Kohle und Erz zu fördern, Mehl zu mahlen und Schiffe und Fuhrwerke zu ziehen.

In allen Zeiten begleitete uns das Pferd – in einfachen , glorreichen, dunklen, blutigen und schweren Zeiten.

Stets wurde der Schwur stillschweigend erneuert zwischen den Generationen von Mensch und Pferd.

Wie in allen Zeiten erfüllt das Pferd seinen Teil der Abmachung mit stiller Demut.

Heute haben wir die genannten Zeiten vermeintlich hinter uns gelassen. Unser Fleisch kommt aus der Packung und ist manchmal gar keines mehr. Unser Wasser und unsere Energie lassen wir uns überall hin erschließen. Wir fahren Autos und fliegen Flugzeuge und nahezu jeder Punkt der Erde wurde schon von menschlichen Füßen getreten.
Wir leben im Überfluss und andere unserer Spezies leben, um zu sterben.
Dem Überfluss ist nichts heilig – auch nicht das Pferd.

Viele Menschen verbinden Stolz in Zusammenhang mit unserer Bindung ans Pferd nur noch Dank Landeswappen, Automarke oder Fußballclub.

Wir verbieten Pferde im Wald, bauen unüberwindbare Zäune an jeder Ecke und fangen an, Pferde zu besteuern.

Die wenigsten Reiter sind noch Kavaliere.

Ein paar Menschen geben sich dem scheinbar sinnlosem, enormen Aufwand hin, und leben mit Pferden. Manche Menschen besuchen auch ab und an Pferde, weil ihr Herz danach verlangt.

Wie in allen Zeiten erfüllt das Pferd seinen Teil der Abmachung mit stiller Demut.

Nur manchmal, in Momenten wo Zeit und Raum ihre Grenzen verlieren … spricht das Pferd zu uns, ohne einen Ton. Es sieht in uns, ohne seine Augen zu nutzen. Es berührt unser Herz, ohne einen Kontakt. Falls wir es spüren, geben wir uns hin, ohne etwas zu tun.

Dann wird der Schwur erneuert zwischen einem Mensch und seinem Pferd, auf eine unbestimmte Zeit in unbestimmter Zukunft.

Es werden weniger Menschen, die das Pferd aufsuchen, um zu erneuern, was seit tausenden von Jahren gilt zwischen uns.

Wie viele andere Haus- und Nutztiere, sind manche Pferde nur noch ein Teil der anonymen Industrie.

Wie in allen Zeiten erfüllt das Pferd seinen Teil der Abmachung mit stiller Demut.

Mit dem zunehmenden Fortschritt verlieren wir unsere Vergangenheit. Es geschieht schleichend und leise, wie eine Krankheit. Wir entfernen uns von unseren Mitmenschen und von uns Selbst.

Pferde und unsere anderen Tiere sind das letzte Tor zur Zeit und der Schlüssel zu allen Kulturen.

Wie in allen Zeiten erfüllt das Pferd seinen Teil der Abmachung mit stiller Demut.
Und ab und an sind wir staunender Zeuge, wenn der Schwur unerwartet erneuert wird, zwischen einem Mensch und einem Pferd…